Heller Hintergrund
Schriftzug mit 89-90 Überschrift Rechtsfreie Räume Einleitung mit dem Text Das Stück 89/90 untersucht die Ausbreitung rechter Gewalt in der Zeit des Mauerfalls von Michael Kaiser

Rechte Gewalt ist kein ostdeutsches oder westdeutsches Phänomen. Die gewalttätigen Ausschreitungen in Chemnitz im Spätsommer 2018, der Mord am Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Sommer 2019, der versuchte Terroranschlag auf die Synagoge in Halle im Herbst 2019 – rechtsradikal motivierte Taten, Hasskommentare, Drohungen und menschenverachtende Wut sind im ganzen Land spürbar und gegenwärtig.

Der Roman 89/90 von Peter Richter richtet den Blick auf die Wendejahre und beschreibt, wie ausgeprägt rechte Strömungen bereits zu DDR-Zeiten waren (in diesem Fall: in Richters Geburtsstadt Dresden) – und wie rasant sich die Neonaziszene nach dem Mauerfall in Ostdeutschland ausgebreitet hat, nicht zuletzt, da rechte Tonangeber aus dem Westen das entstandene Vakuum für ihre Zwecke fruchtbar machten.

Das Stück, das Regisseur Sascha Flocken auf der Grundlage von Richters Roman für die Bühne des Kleinen Hauses adaptiert hat, zeigt, wie schnell Zweifel und Orientierungslosigkeit in Zeiten politischer und gesellschaftlicher Umbrüche in Hass und Gewalt umgeschlagen können: Junge Menschen, die im Sommer noch friedlich die Nächte gemeinsam im gekaperten Freibad verbracht haben, stehen sich nur wenige Monate später in Dresden mit Baseballschlägern gegenüber. Man ist nun entweder rechts oder links. Und man bekämpft sich bis aufs Blut. In vielen ostdeutschen Städten bildeten sich zwischen dem Zusammenbruch des Sozialismus und der Übernahme durch den Kapitalismus rechtsfreie Räume, in denen man sich erbitterte Straßenschlachten lieferte.

Rechte Gesinnung und Gewalt gab und gibt es nicht nur im Osten, es lohnt sich jedoch, die Ereignisse rund um die Wende genauer zu betrachten und zu untersuchen, welche Mechanismen vor und nach dem Untergang der Deutschen Demokratischen Republik zutage traten und welche Pfade in der Zeit rund um die Wiedervereinigung eingeschlagen wurden. Anschließend schaut man wahrscheinlich anders auf die Jahre der „friedlichen Revolution“ und auf die jüngsten Ereignisse vom Spätsommer 2018 oder Herbst 2019.

89/90
Schauspiel nach dem Wenderoman von Peter Richter

Regie Sascha Flocken // Bühne und Kostüme Nina Hofmann // Musik Jan Paul Werge // Dramaturgie Michael Kaiser // Mit Frederik Gora, Clara Schulze-Wegener, Jan Paul Werge, Raphael Westermeier, Marta De Altin, Emma Salomé Baumann, Felipa Calero, Casimir Fedeler, Hannah Lea Hasenfuß, Fee Heck, Moritz Herlyn, Arjuna Hummert, Hanna Jäkel, Judith Jäkel, Lilith Korbel, Luka Mahlmann, Friederike Mehler, Laurin Pfau, Amaya Molina Sander, Simão Smith, Lou Söhnlein, Lumea Welter

Premiere: 11.10.2019 // Kleines Haus

Nächste Vorstellungen im Dezember 2019, Januar und Februar 2020