KAREL ČAPEKS PROGRAMM DES
ROBOTISCHEN (R.U.R., 1920)
Der Begriff des Roboters geht auf Karel Čapek zurück, der ihn für ein Theaterstück verwendet hatte: Der tschechische Autor nutzt die – eigentlich von seinem Bruder gewählte – Vokabel, um künstliche Menschen zu bezeichnen, die in einer Fabrik hergestellt werden, gleichzeitig aber auch den Betrieb dieser Fabrik selbst aufrechterhalten. Dieses Stück von Čapek ist in ein Vorspiel und drei Teile gegliedert; geschildert werden darin die Entwicklungen dieser Fabrik, ROSSUM‘S UNIVERSAL ROBOTS, die auch titelgebend ist: R.U.R. hat Čapek es genannt. Bereits in der Listung der dramatis personae teilt er das Personal des Dramas in zwei Gruppen, Menschen einerseits, Roboter_innen andererseits. Letztere seien „im Vorspiel […] wie Menschen gekleidet. Ihre Bewegungen und ihre Ausdrücke sind abgehackt, ihre Gesichter ausdruckslos, der Blick starr. Im eigentlichen Stück haben sie Leinenblusen, in der Taille gegürtet, und auf der Brust eine Messingnummer.“ (Übersetzung von Just/Seehase.)
Im Vorspiel entsteht denn auch Verwirrung für die Protagonistin Helena, die nicht erkennt, dass es sich bei der Sekretärin des Direktors der Fabrik um eine Roboterin handelt. Als ihr erklärt wird, dass fast alle Angestellten der Firma nicht-menschlich seien, begeht sie dann wiederum den Fehler, drei hochrangigen Abteilungsleitern ihre Pläne zur Befreiung der Robot-Klasse vorzulegen, nur um gleich darauf erkennen zu müssen, dass es sich bei diesen tatsächlich um Menschen handelt. Von vornherein legt Čapek es also darauf an, dass schwierig zu erkennen sei, wer Roboter_in ist und wer Mensch.
Das Drama wird häufig als „humanistisch“ bezeichnet, denn es stellt grundsätzliche Fragen nach Arbeit, Reproduktion und Klassenordnungen. Am Ende vernichten die Roboter_innen alle bis auf einen Menschen, der sich wieder selbst daran macht, körperliche Arbeit zu verrichten. Neben aller gesellschaftskritischer Lesart könnte man aber auch sagen, Čapek berichte mit seinem Stück von der Krise des dramatischen Schreibens: Denn sind die von Schriftsteller_innen erdachten Figuren nicht gleichsam Programme für den Schauspielapparat? Ist nicht die Schaffung der Figuren im Theater selbst eine erste, die Weitergabe dieser Texte an Performer_innen dann eine zweite Art der mächtigen Erschaffung pseudo-menschlichen Lebens? In dieser Lesart erschiene es umso zwingender, dass das Robotische und das Theatrale eine ganz eigene Beziehung haben, weil hier die Frage des Erkennens der den Figuren zugrundeliegenden Programmierung unter Einbezug technischer Entwicklungen neu verhandelt werden kann. Sehen wir den Dramatiker als Programmierer, können wir a posteriori auch das Schicksal klassischer tragischer Figuren als weniger göttergewollt denn dramaturgisch vorprogrammiert lesen: Sophokles’ schriftliche Fassung des König Oedipus thematisierte damit die Gesten, die diese Figur zu der machen, die sie ist, und die sich erst in der Überlagerung der unterschiedlichen ihr zu- und eingeschriebenen Programme erkennen müsste.
In einem Aufsatz schreibt Bianca Westermann, Spezialistin für die Roboter_innenfiguren in der Kulturgeschichte, diese stünden den Menschen als technisch verzerrte Spiegelbilder gegenüber, die sich als widersprüchlich erwiesen, weil sie im selben Moment als überlegen und defizitär erschienen: „Roboter“, so Bianca Westermann, „überwinden den Menschen bzw. seine körperlichen Grenzen in einzelnen Aspekten wie Kraft oder Ausdauer und lassen sich daher als eine spezifische Transformation des menschlichen Körpers verstehen. Je deutlicher diese Referenz auf den Menschen ausfällt, desto vehementer werfen solche Roboter beinah zwangsläufig die Frage nach dem Status der Maschine auf.“ Die Frage nach dem Status dieser Maschine stellt sich aber, was die Bühne betrifft, gerade auch im Tanz, für den das Funktionieren der Körper und ihre Beherrschung eine entscheidende Rolle spielt.